Biographie
"Belli in zona", das Album von M. Santilli und G. Muto, verführt jenseits von Klischees ein Tessin frei von Klischees und Postkartenbildern und stattdessen mit aufmerksamen, neugierigen Augen betrachtet, aber vor allem mit anderen Ohren gehört. Das Land des Merlot und der Holzschuhe wird vom Tessiner Duo (mit Wohnsitz in Zürich und Bordeaux), bestehend aus dem Klarinettisten und Sänger Marco Santilli und dem Saxophonisten Giordano Muto, wiederentdeckt. Belli in zona", das in Zusammenarbeit mit Rete Due erschienene Album, durchquert den Kanton Tessin in einer Musik mit jazzigen Zügen, Streifzügen durch traditionelle Themen, Neuinterpretationen und eigenen Songs. Nichts von dem, was man in der Musik der italienischen Schweiz schon gehört hat, findet sich jedoch in diesen spritzigen 15 Titeln. Keine Fideln, Balladen und Mandorlini. Nichts Vorhersehbares. Natürlich wird auch im Dialekt gesungen (aber nicht nur) mit 'O ra valmaggina', dem Volkslied aus dem Valle Maggia, das mit schlichter Intensität ein Leben voller Entbehrungen und Opfer beschreibt. Auch in "Scurdàss" singen sie im Dialekt, aber diesmal im Dialekt von Novazzano. Und das ist noch nicht alles. Unter den Liedermachern ist auch Gianbattista Mantegazzi, mit seinem berühmten Marsch "Bellinzona" oder - zusammen mit Calgari - mit "Sacra terra del Ticino". Da gibt es das Volkslied "Cucù", "La maggiolata", ein Lied, das Alfonsina Storni, der argentinischen Dichterin mit Tessiner Wurzeln, gewidmet ist, ein anderes dem Gotthardtunnel, "gewidmet allen Freunden und Studenten, die am Sonntagabend den Zug nehmen, um über den Gotthard zu fahren" (so steht es im Booklet). Auch der Emigrant fehlt nicht, in "Brief aus Amerika". Kurzum, das Tessin ist auf der Scheibe sehr präsent, aber es wird nicht auf den ersten Blick erfasst, es scheint falsch dargestellt zu sein. Aber das ist nicht der Fall. Mehr als das Tessin und seine Musikproduktion findet man in "Belli in zona" eine Essenz der Südschweiz, die den Kompositionen und Arrangements des vielseitigen Duos Geschmack verleiht. Die Echos, die Eindrücke, die Bilder des Tessins werden in einem amüsanten und unterhaltsamen Spiel von Referenzen zwischen den Instrumenten aufgelöst, bei dem immer der kreative Akt, die Lust am Musizieren im Vordergrund steht. Das Stichwort, das eine Straße, eine Situation oder ein Fragment eines Volksliedes liefert, gibt den beiden jungen Musikern den Anstoß zu melodischen und klanglichen Entwicklungen, die reichhaltig, poetisch, lebendig und melancholisch sind, am seidenen Faden hängen oder schwindelerregend in die Höhe schießen. Ein Merkmal, das alle Kompositionen vereint, ist die absolute Unvorhersehbarkeit der Musik von Santilli und Muto. Ernst und doch zum Lachen, spielerisch und doch tadellos im Vortrag, treten sie in die Fußstapfen anderer, um ganz eigene Wege zu gehen: Der Erwartungshorizont des Hörers wird immer wieder desillusioniert. Und die Botschaft, die diese elegante und zugleich einzigartige Hommage an das Tessin zu vermitteln scheint, ist genau die, sich nicht darauf zu beschränken, das eigene Land, die eigenen Orte mit dem gleichen Objektiv und der gleichen Perspektive zu betrachten. Wenn das Tessin in der Lage war, ein so frisches und lebendiges Musikstück zu inspirieren, kann es sich gewiss nicht in den Vorurteilen und Sterotypen erschöpfen, mit denen es nur allzu oft in Verbindung gebracht wird. (Virginia Pietrogiovanna)
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