Die in Frankreich geborene, in Leipzig aufgewachsene und heute in Bern lebhafte Aino Salto hatte jahrelang das Gefühl, «etwas musikalisches erbrechen zu müssen», wie sie dies mit eigenen Worten beschreibt. «Irgendwas musste raus. Was das allerdings sein sollte, war nicht klar. Bis ich im Herbst 2023 die Musik für mein erstes Album in die Tasten heulte».
Zum Glück. Denn «Imagine People as Adolescent Birds» ist eine Sammlung von sieben kraftvollen Liedern, es ist Musik über Schwesternschaft und feministische Pilz-Netzwerke («Mother Mushroom»), Wut («Anger») und das das Leben als das Gefühl, wenn man beim Autofahren Stromleitungen betrachtet («Powerlines»). Die Musik kommt aus tiefstem Herzen, aus Flügelhorn, Kontrabass, Keys und Schlagzeug, aus voller Kehle. Aus jeder Silbe tropft das Erbrochene heraus, eine Mischung aus Angst, Naivität, hoffnungslosem Optimismus und Himbeerduft:
«And we found a place in the spirits of Lourdes, Elizabeth and Bina, mothers of thought, sirens of Athena / We have the numbers down, no reason to feel deadened / If the age of the Earth is a year, humanity is 23 minutes old and patriarchy not even a second.»
(«Mother Mushroom»)
«Imagine People as Adolescent Birds» ist also eine Art Schlachtruf, verpackt in bittersüsse Melodien. Der Pop trieft aus den komplexen Arrangements, es ist zauberhaft, wie leicht diese Musik wirkt, wenn sie doch so viel transportiert. Mit ihren höchst erfahrenen Weggefährten Paul Butscher (u.a. bei ARBRE), Luzius Schuler (u.a. bei Dino Brandão), Tabea Kind (u.a. bei EDNA) und Eddy Sonnenschein (u.a. bei Eddy Sonnenschein’s TIME) erweckt Sonia (u.a. bei BUREAU BUREAU) ihr Soloprojekt Aino Salto zum Leben: «Ich hab mir gedacht: Mir geht’s so oft schlecht in Anbetracht der Welt, und allen anderen auch – was brauchen wir also jetzt? Happy Songs, dachte ich, oder mindestens energetische Sachen ohne Resignation, ohne die Welt zu ignorieren, aber auch, ohne hoffnungslos dahin zu weinen.»
«Everything changes all the goddamn time /
Shadows from walls turn to chalk, you write another line.»
(«Everything All At Once»)