Zwischen allen Schubladen
„Eine Bereicherung für die Schweizer Musikszene“ sei Chantemoiselle Myria Poffet, schwärmte ein Journalist, nachdem er das Debüt-Album der Bernerin gehört hatte. Nun legt die Mundart-Jazzsängerin ihr zweites Werk vor: „Es Stück vom Glück“ (VÖ 02.03.2012 / Der letzte Schrei Records) .
Schubladen sind für Musikjournalisten ungeheuer wichtig. Sobald jemand eine neue CD herausbringt, versuchen die Medienleute landauf und –ab krampfhaft, das Werk in eine Ecke zu stellen, die das Publikum bereits kennt.
Im Fall von Chantemoiselle Myria Poffet wird der Versuch einer Einordnung scheitern. Für den Mundart-Jazz der 30jährigen Bernerin gibt es keine Kategorien. Die ausgebildete Pianistin und geschulte Sängerin schwebt frei von Konventionen und Erwartungen zwischen den Stilen. Cooler Swing, verrauchtes Chanson, schwermütiger Blues für Myria Poffet gibt es kein „Entweder-Oder“, sondern nur ein Neben- und Miteinander.
Rund ein Jahr lang habe sie sich für das Nachfolgealbum ihres vielgelobten Erstlingswerkes Zeit genommen, sagt Chantemoiselle. Druck habe sie sich dafür nur dosiert auferlegt. „Ich bin nicht der Typ, der sagt: So, jetzt mache ich eine Platte.“ Vielmehr würde sie die Melodien und Harmonien reifen lassen, bis sie ihren Ansprüchen genügen. Auch an den Texten habe sie with a little help von „Halunke“ Christian Häni geduldig gefeilt, ergänzt das Schweizer „Singfräulein“. Der ehemalige „Scream“-Chef half übrigens nicht nur mit Worten aus, sondern auch mit Tönen: Er singt auf "Wyt u breit ke Land" mit.
Nach dem Motto „Jetzt will ich es wissen“ habe sie nicht einfach wiederholen mögen, was ihr auf der ersten CD gelungen sei. „Mir war wichtig, den musikalischen Fächer weiter zu öffnen und mit neuen Elementen zu spielen.“ Zu diesem Entwicklungsprozess habe auch gehört, vermehrt auf Eigenkompositionen zu setzen. Leisteten bei der ersten CD noch Koriphäen wie Büne Huber von Patent Ochsner, Michael von der Heide oder der Singer/Songwriter Trummer Starthilfe, vertraut Chantemoiselle nun verstärkt auf ihre eigenen Fähigkeiten. Wenn sie sich zwischendurch trotzdem bei fremdem Liedgut bedient, tut sie das in einer Art und Weise, die Leuten eigen ist, die wissen, was sie können: „Halleluja“ von Leonard Cohen klingt wie neu geschaffen – und zum Heulen schön.
Am Ende spielte Chantemoiselle in den Mazzive Sound Studios in Nidau mit ihrer Hausband – sie besteht aus Pianist Willy Schnyder, Drummer David Elias und ihrem Vater, dem Bassisten Michel Poffet – 12 Songs ein, die vom ersten Ton bis zum letzten Akkord eine mitreissende Leichtigkeit des Seins verströmen.
Und gleichzeitig eine Tiefe ausstrahlen, von der andere in ihren verstaubten Schubladen nur träumen können.