Biography
Dass ein Schweizer Musiker auf Verve Forecast ein Album veröffentlicht, der Etikette, die das legendäre US-Label Verve für Crossoversound im Grenzbereich von Folk, Jazz, Pop, Rock und Experimentellem eingerichtet hat, würde schon leise erstaunen – wäre dieser Schweizer nicht Kurt Maloo, Zürcher Weltbürger mit Wohnsitz Hamburg. In den 1980-er, als Hälfte des genialischen Pop-Gespanns «Double», war er Ko-Autor und Sänger des nachhaltigsten Hits, den das kleine Land hervorbrachte, «The Captain of Her Heart». Bei Verve Forecast ist Maloo mit Jamie Cullum, Elvis Costello, Lizz Wright, Blues Traveler und Susan Tedeschi in guter Gesellschaft. Und er legt mit «Summer Of Better Times» ein zeitloses Werk vor.
Die neuen Songs sind von prickelnder Gelassenheit, zugleich vertraut und zukunftsgerichtet, und sie klingen auf Anhieb wie Klassiker. Stets ist die Musik getragen von Maloos Stimme; unverändert ist diese samtig eindringlich wie auf «The Captain of Her Heart». Oder hat sie an Suggestion und Verführungskraft mit den Jahren gar noch zugenommen? Ein reifes Album jedenfalls – wobei «reif» hier die heitere Nonchanlance eines Mannes meint, der nichts mehr beweisen muss, aber immer noch viel zu erzählen hat.
«Ich bin je länger, desto mehr Song-orientiert», sagt Kurt Maloo. Tatsächlich gelang ihm etwa mit «Day of The Man with A Heart of Gold» ein kleines Meisterstück. Stets haben seine Songs etwas Cinéastisches, lassen sie vor dem inneren Auge Bilder erstehen. «Ich denke halt immer in Bildern, Filmen, Sequenzen», sagt Maloo. «Schon als Kind hatte ich von früh bis spät Tagträume, malte mir diese und jene Szene aus.» Maloo schmunzelt: «Vermutlich, weil ich ein Einzelkind war.»
Der Songwriter, Sänger und Gitarrist hat «Summer Of Better Times» in seinem Hamburger Studio nahezu im Alleingang eingespielt, punktuell unterstützt von Mitgliedern seiner Live-Band. «Und da waren ja noch meine Internetconnections …» Die Violinistin Maria Fausta Rizzo aus Messina und Putokazi, ein fulminanter kroatischer Frauenchor, spielten und sangen mit. Man hat sich aber nie persönlich getroffen, sondern schickte digitale Files hin und her – so klein hat das World Wide Web die Welt gemacht. Und warum sagen fremde Leute spontan zu, wenn Maloo sie um eine Zusammenarbeit angeht? Weil sie Fans seiner Songs sind.
«Summer Of Better Times» klingt wie aus einem Guss, mit einem unverkennbaren Sound und einer unverkennbaren Stimme, schmeichelnd und herausfordernd, kitzelnd und bestärkend zugleich. Soll man das Resultat Nu-Jazz nennen, Pop, Adult Contemporary? Am besten nennt man es Maloo, Kurt Maloo.
Im Titelsong mag es um «die klassische Bluesthematik» gehen, wie Maloo es ausdrückt: «Schön wars, vorbei ists …» Als Albumtitel jedoch weist «Summer Of Better Times» nicht nur in die Vergangenheit. «Mit jenem ‹Summer› meine ich einen mit Sehnsucht aufgeladenen Moment, und der könnte auch in zwei Jahren stattfinden», sagt Maloo. Just so hört sich diese Musik an: zuweilen melancholisch, aber stets lebensbejahend und optimistisch dazu.
2006 beleuchtete Maloo mit dem Album «Loopy Avenue» noch einmal das Wirken von Double, dem Duo, mit dem Felix Haug und er Mitte der 1980-er Jahre Weltruhm erlangt hatten. Zwei Jahre zuvor, 2004, starb Haug unerwartet an einem Herzinfarkt. «Felix’ Tod war für mich der Auslöser, die vergangenen zwanzig Jahre Revue passieren zu lassen und einen neuen Blick auf das Werk von Double und mein eigenes zu werfen», sagt Maloo. Es wurde ein respektvoller Rückblick. Nun steht er wieder voll in der Gegenwart, schaut vorwärts, ist als Musiker voller Tatendrang.
Kurze Rückblende: Im Zürich der 1970-er Jahre macht Kurt Maloo nicht nur als Sänger und Gitarrist auf sich aufmerksam, sondern auch als Maler und Aktionskünstler. Mit neun Mitgliedern der Kunstgruppe MAEZ gründet er Troppo; die Schweizer Punkvorläuferin wird zur Kultband. Auf einer Jamsession lernt er gegen Ende der Seventies Felix Haug kennen, Die Chemie stimmt, Maloo und Haug schliessen sich mit dem Bassisten Hazel Pazzi zum Trio Ping Pong zusammen. Die Gruppe wächst bald über die Zürcher Szene hinaus, wird am Montreux Jazz Festival gefeiert und gilt als The Next Big Thing. Das Big Thing wird dann aber Double – so nennen Haug und Maloo ihr neues Projekt nach Pazzis Ausstieg. Zunächst in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dann in Frankreich, Italien, Spanien, Skandinavien, weiter in England und schliesslich in den USA, Kanada, Südamerika und zuletzt in Asien und Ozeanien wird das Debütalbum «Blue» zum Verkaufshit. Die Single «The Captain of Her Heart» entwickelt sich zum Millionenseller, im Zug davon setzen Double auch das Album über eine Million Mal ab. Das zweite Werk heisst dann, und die Fachwelt ist verwirrt, bereits «Dou3le», sprich: Double Three. Double waren eben nie wie alle anderen. Nach «Dou3le» trennten sich die Wege der beiden bereits, spätere sporadische Sessions führten zu keinem gemeinsamen Album mehr. «Natürlich brauchte ich nach dem Ende von Double einen Break, um auf den Boden zu kommen», sagt Maloo. «Ich zog von Zürich nach Paris, schrieb weiterhin Songs, habe ein Soloalbum veröffentlicht, geheiratet, bin Vater geworden, von Paris nach Hamburg gezogen, zum zweiten Mal Vater geworden, habe ein weiteres Soloalbum veröffentlicht und – ach, alles aufzuzählen würde zu lange dauern.»
Geblieben ist «The Captain of Her Heart», für Maloo ein «guter alter Bekannter». Das Verhältnis zum Überhit ist «total entspannt», und natürlich figuriert er auch im aktuellen Live-Repertoire. Wo auch immer auf der Welt Maloo hinkommt – «der Captain», wie er ihn nennt, ist schon da. «Als Double kannten wir die Millionen Menschan nicht, die unsere Musik hörten», sagt er, «denn wir traten ja nie live auf.» Double wurden damals vom Erfolg und all den Reisen und Verpflichtungen, die er mit sich brachte, überrumpelt und lösten sich schliesslich auf, ehe sie Konzerte hätten geben können. Seit er aber 1999 seine erste Website ins Netz gestellt habe, berichtet Maloo, bekomme er täglich Feedbacks aus allen Ecken. Menschen erzählen ihre persönlichen Erlebnisse. «Im angloamerikanischen Raum hört man dem Lied natürlich genauer zu, und immer wieder schreiben Frauen, sie hätten genau das erlebt, was im Lied beschrieben sei», sagt Maloo. «Das zu vernehmen ist einfach nur toll.» Eigentlich erstaunlich, dass die präzise Momentaufnahme einem Mann gelungen ist: Das Lied schildert den Augenblick, da eine Frau sich bewusst wird, dass sie nicht mehr länger auf denjenigen warten mag, der ihr Herz gekapert hat, und dass sie am nächsten Morgen in ein neues Leben aufbrechen will.
Der erfolgreichste Schweizer Song aller Zeiten ist längst ein Radioklassiker von Kanada bis Katmandu und taucht bis heute regelmässig in den Download-Charts der Sparten Jazz und Pop zahlreicher Länder auf. Hätten Double damals nur den kühlen Glanz der Eighties gespiegelt, hätte ihr Song nicht überdauert. Doch da war eben auch eine menschliche Tiefe, die ans Herz geht. Gewiss klingt nun der Popjazz der 1980-er, das Sanfte, Samtige auch in «Summer Of Better Times» an. Doch Kurt Maloos neue Songs sind nie unterkühlt, sondern da lodert immer ein Feuer, das zugleich wärmt und versöhnt. Und stets ist da auch eine Nachdenklichkeit, die für Lebensechtheit garantiert.