An einem Konzert von Blackmail steckten sie zum ersten Mal ihre Köpfe zusammen. Und beschlossen ziemlich plötzlich, sich wieder zu treffen – und zwar in einem Proberaum, mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und ohne Plan. Das klingt nach kitschiger Rock'n'Roll-Romantik, doch so ist es nicht. Denn die vier waren sich nicht unbekannt: Den Sänger Thorsten Polomski, kein unbeschriebenes Blatt in der Szene, kennt man von den Hardcore Punkern Bubonix oder Six Reasons to Kill. Sandro D’Angelo, der Bassist, spielt bei Gran Noir. Tobias Zehnder steht mit Das Empire auf der Bühne und Steff betreibt derzeit sein Soloprojekt Skyfire.
Die verschiedenen Pfade mit dem gemeinsamen HC-Punk-Nenner, über den sich die in der Schweiz lebenden Musiker zu LYVTEN gefunden haben, sind für die enorme Frische und Unbefangenheit der Gruppe verantwortlich. Auch wenn ihre erste 7-inch, die im Hamburger Cloudshill Studio (Tocotronic, Turbostaat) aufgenommen wurde, grob gesagt nach gut aufgekratzem Straight-forward-Postpunk klingt, merkt man bei genauerem Hinhören die Zwanglosigkeit, was eigenes Schubladisieren betrifft. Frei von Eitelkeit und Schnörkel preschen LYVTEN raus, was rausgeprescht werden muss. Messerscharfe Riffs schneiden sich durch ein Schlagzeuggewitter. Darüber Polomskis Stimme, die Dringlichkeit in ihrer reinsten Form manifestiert.
In Postpunk-Manier und mit einem guten latenten Groll thematisiert die Band in deutschen Texten die kleinen Verzweiflungen des alltäglichen Daseins: Kleinigkeiten, die nicht so sind, wie sie sein sollten; bittere Tropfen, die in der Summe zur trüben See werden können. Aber nein, im Zweifel ertrinken LYVTEN nicht. Dafür fehlt es an plumpen Punk-Parolen, und dafür kommen die Stücke auf ihrer ersten EP zu melodiös und mit einem starken 90er-Indiepunk-Feeling daher. Was die Zürcher dann auch so universell macht: LYVTEN machen nicht nur Musik für ein Kennerpublikum, sondern können sich dank ihrer rohen Energie auch unter die Haut von Leuten anderer musikalischer Herkunft spielen.