Magister, mit bürgerlichem Namen Junior Manizao, ist ein außergewöhnlicher Künstler in der Schweizer Musiklandschaft. Geboren in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, verlässt er schon früh sein Heimatland und zieht mit seiner Familie in die Schweiz. Ab dem Alter von vier Jahren wächst er in Bulle, im Kanton Freiburg, auf – einer ruhigen Stadt, in der er nach und nach seinen Blick auf die Welt formt. In diesem Kontext von Migration und Anpassung beginnt er, seine künstlerische und persönliche Identität zu entwickeln – zwischen afrikanischen Wurzeln und europäischer Kultur.
Schon in jungen Jahren wird Musik für ihn zur Selbstverständlichkeit. Sie wird zu einem Zufluchtsort, einem Ausdrucksmittel und einer Brücke zwischen den Welten. Früh entdeckt er den Hip-Hop, ein Genre, das ihn wie eine Offenbarung trifft. Doch erst durch das Hören von MC Solaar, einer zentralen Figur des frankophonen Rap, erkennt Magister die Kraft der Worte. Die Eleganz des Schreibstils, die Feinheit der Reime, die Tiefe der Themen – all das eröffnet ihm ein Feld unendlicher Möglichkeiten. Solaar, mit seiner urbanen Poesie und seiner Fähigkeit, die Realität mit Feingefühl zu erzählen, wird zu einer prägenden Inspiration.
Von da an beginnt Junior Manizao zu schreiben – zunächst für sich selbst, später, um zu teilen. Im Laufe der Jahre entwickelt er einen eigenen Stil: einen poetischen, reflektierten und engagierten Rap, der Klischees und einfache Effekte meidet. Magister folgt nicht den Trends – er geht seinen eigenen Weg. Er bezeichnet sich selbst als „Wortvermittler“ und „Gedicht-Sänger“. Diese doppelte Rolle spiegelt seine künstlerische Herangehensweise wider: an der Schnittstelle von Spoken Word, Chanson und Rap erschafft er ein anspruchsvolles und aufrichtiges Werk, das ebenso zum Nachdenken anregt wie es berührt.
Vielversprechender Anfang: „Icarus“ (2008)
Im Jahr 2008 tritt Magister mit seinem ersten Album „Icarus“ erstmals bemerkenswert in Erscheinung. Dieses Projekt legt die Grundlagen seines Universums: eine Mischung aus mythologischen Referenzen, existenziellen Fragen und sozialen Beobachtungen. Der Haupttitel „Ma Suisse“ findet besonderen Anklang. In diesem Stück reflektiert er sensibel und klar seine Beziehung zu seinem neuen Heimatland – zwischen Dankbarkeit, Kritik und klarsichtiger Liebe. Das Publikum erkennt sich darin wieder, und die lokale Presse lobt seinen präzisen Blick auf Identität und Integration.
Mit Icarus zeigt Magister bereits eine starke künstlerische Ambition: nicht einfach Musik zu machen, sondern etwas Größeres zu erzählen, mit der Gesellschaft, der Geschichte und den menschlichen Emotionen in Dialog zu treten. Es ist ein Autorenrap, gegen den Strom der Radiostandards, aber tief verwurzelt in der Suche nach Authentizität.
„EXIL“ (2012): ein hybrides und mutiges Projekt
Vier Jahre später, 2012, kehrt Magister mit seinem zweiten Album „EXIL“ zurück, diesmal unter dem Freiburger Label Watermelon. Dieses Projekt markiert einen Wendepunkt in seiner Karriere. Mutiger und vielseitiger öffnet er sich neuen musikalischen Welten und erweitert seine klangliche Palette. Er arbeitet unter anderem mit Künstlern der Freiburger Rockszene zusammen und integriert elektrische Gitarren, Live-Schlagzeug und neue Klangtexturen in seinen Rap.
Ein Höhepunkt des Albums ist der Titel „À la gloire de nos pères“, eine Zusammenarbeit mit der Gruppe Farafina, einem Symbol traditioneller afrikanischer Musik. Dieses Stück ist eine Hommage an die Älteren, die Wurzeln, die Kämpfe und das vergessene Erbe. Zwischen afrikanischen Rhythmen und kraftvollen Texten verbindet Magister Erinnerung, Geschichte und Engagement – in einer starken und respektvollen künstlerischen Geste.
Mit EXIL beweist er, dass er musikalische Grenzen überwinden kann, um Identitäts-, Kultur- und Gefühlsüberschneidungen zu erforschen. Das Album wird kritisch gut aufgenommen und verschafft ihm Bekanntheit über die üblichen Rap-Kreise hinaus.
BlackBoard: künstlerische Unabhängigkeit
Nach mehreren Jahren in etablierten Strukturen entscheidet sich Magister, sein künstlerisches Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. 2019 gründet er sein eigenes unabhängiges Label BlackBoard. Der Name symbolisiert seinen Ansatz: eine schwarze Tafel, auf der er frei schreiben, löschen, neu beginnen und experimentieren kann. Das Label ermöglicht ihm, seine künstlerischen Entscheidungen selbst zu treffen – von der Produktion über die Veröffentlichung bis hin zum visuellen Auftritt.
Diese Unabhängigkeit zeigt sich voll und ganz in seinem dritten Album „Juste vivre“, das 2020 erscheint. Es ist vielleicht das introspektivste Album seiner Karriere. Er erforscht darin Resilienz, Schmerz, Liebe und die Sinnsuche – stets mit seiner präzisen und feinsinnigen Schreibweise. Titel wie „Pensée sombre“ oder „De la terre à la lune“ zeugen von großer künstlerischer Reife. Sie thematisieren psychische Gesundheit, Lebensprüfungen und Hoffnung – ohne je ins Pathos zu verfallen.
Dieses Projekt berührt ein breites Publikum, gerade weil es universelle Themen mit aufrichtiger Tiefe behandelt. Magister erscheint darin zugleich verletzlich und stark, Poet und Zeitzeuge.
Prägende Singles und Stilfestigung (2021–2023)
Seit Juste vivre geht Magister seinen Weg mit Beständigkeit und Anspruch weiter. Er veröffentlicht mehrere starke Singles, die seine künstlerische Entwicklung bestätigen und seinen Willen zeigen, sich nie zu wiederholen. 2021 erscheint der Titel „Au bout du tunnel“ – ein Hoffnungsschimmer in einer von globaler Unsicherheit geprägten Zeit. Das Stück spricht von Licht, Heilung und dem Danach der Leiden.
2023 prägen zwei Titel besonders: „Je t’haine“ und „Second souffle“. Der erste spielt mit den Paradoxen von Liebe und Wut – vor dem Hintergrund toxischer Beziehungen oder innerer Konflikte. Der zweite, wie der Name schon sagt, handelt von Erneuerung, Wiedergeburt und der Fähigkeit, nach dem Fall wieder aufzustehen.
Diese Stücke sind keine bloßen Stilübungen – sie erzählen von einem menschlichen Weg, einem Leben voller Kämpfe, Reflexion und Resilienz. Magister schärft weiterhin seine Feder, wählt seine Worte mit Bedacht und gestaltet seine Instrumentals sorgfältig – komplex und nie banal.
Eine einzigartige Stimme des Schweizer Rap
Heute gilt Magister als eine unverzichtbare Figur des Schweizer Rap – doch es wäre zu kurz gegriffen, ihn auf eine Szene oder ein Label zu reduzieren. Was ihn auszeichnet, ist seine umfassende künstlerische Vision, seine Kohärenz und seine Fähigkeit, Poesie, Engagement und klangliche Innovation zu vereinen.
Er bleibt seinen afrikanischen Wurzeln treu und nimmt gleichzeitig sein schweizerisches Leben voll an. Diese doppelte Zugehörigkeit ist kein Konflikt, sondern eine Bereicherung – ein Ankerpunkt für ein Werk, das sowohl persönlich als auch universell ist. Er will nicht um jeden Preis gefallen, sondern wahrhaftig bleiben, Musik mit Sinn und Substanz anbieten.
Magister schreibt, komponiert, kollaboriert – aber vor allem denkt er Musik als Gesamtkunstwerk, in dem jedes Wort, jeder Klang und jede Stille Bedeutung hat.
Magister ist vor allem eine authentische Stimme, eine anspruchsvolle Feder und eine engagierte Seele. Ein seltener Künstler, der uns daran erinnert, dass Rap ein Akt der Poesie, der Erinnerung und der Verwandlung sein kann.