«...und Nachteil»
Zum Zuhören und Mitsingen: Das Debütalbum des Zürcher Rappers Skor erzeugt eine Intimität von seltener Qualität.
Wer Hip-Hop macht, der hat die Wahl: Er kann konfrontative Reime in die Runde schicken, sich aufplustern und sich selbst den Besten schimpfen, er kann das vergangene goldene Zeitalter zu Beginn der Neunziger betrauern oder sich in eine Parallelwelt begeben und versuchen, seine Zuhörer mitzunehmen.
Daniel Bachmann, 29, aufgewachsen in Horgen, und nun seit Jahren Inventar der Zürcher Stadtkreise 3, 4 und 5, hat sich für sein Debütalbum für einen anderen Weg entschieden. Denn: Alles Andere hat er in den vergangen Jahren irgendwie schon ausprobiert. Erst das Herantasten und Experimentieren mit dem Album mit der Gruppe Linktiim im Jahr 2007, dann Mixtapes mit Geschichten unterhalb der Gürtellinie und abseits der Strassenlaternen, träfe Sprüche, rollende Reime.
In den letzten drei Jahren absolvierte er dann ein wahres Aufwärmtraining in Sachen Zürislang: Konzerte in jedem Keller, jedem Dachstock und jeder Bar – mal energetisch mit DJ, mal mit Elektropop-Duo, mal im Akustik-Trio dann mit fünfköpfiger Band. Dazu schüttelte er ein druckvolles Album zusammen mit Steezo unter dem Namen MDMA aus dem Ärmel und half die Mundart-Rap-Institution Temple of Speed mit zu errichten. Sagen wir es so: Skor – so sein Künstlername – hat massgeblich dazu beigetragen, dass Rap auf Schweizerdeutsch in den letzten Jahren endlich wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwacht ist.
«...und Nachteil», das Album, das ihm die letzten fast drei Jahre auf der Seele brannte auf dem Magen lag, ist nun aber kein typischer ich-zeigs-euch-allen-Werk geworden. Die technischen Kabinettstückchen, das Geprahle und Getue, die «fetten» konventionellen Hip-Hop-Beats, hat er ganz einfach weggelassen. Zusammen mit Executive Producer Marton di Katz (u. a. Big Zis, Baze, Kalabrese) und etlichen musikalischen Kollaborateuren, ist in den letzten Monaten ein Album entstanden, das sich abgesehen von der Ehrlichkeit und dem Storytelling um herzlich wenig Konventionen schert.
Wir hören die Musik gewordenen Gedanken und Gefühle eines Endzwanzigers für den es noch nie einen Tellerrand gab, der irgendwas begrenzte. Da ist der kontemplative, dahinfliessende, leicht elektronisch angehauchte Groove von «Montauk», in dem Skor von seinem Verhältnis zu Zeit, Geld und Kunst berichtet und feststellt, dass es demjenigen zum weiblichen Geschlecht ähnelt.
Da sind Songs über Schlaflosigkeit, über schmerzhaften Verlust, über sorglose Sonntagvormittage im Bett, über die Sehnsucht nach ein bisschen Zutraulichkeit. Nichts kommt einem verstiegen vor, nichts zu verschlungen. Die Musik dicht und schlüssig, zuweilen bluesig und melancholisch, die Reime auf den Punkt. Manchen Songs hört man die Distanz zur Schweiz und zu seinem Alltag als Kulturschaffender und seinem Job als Türsteher an der Langstrasse an, die Skor 2011 während einem sechsmonatigen Atelier-Aufenthalt in New York gewinnen konnte.
«Alles wird guet!» scheint sich Skor wie im Stück «Rundi uf mich» immer wieder zu sagen, während der Bass für einmal dick und funky dahinschlappt und der Beats sich öfters mal auf den Schlägen ausruht. Eine Stimmung, die den Ich-Erzähler immer wieder zum Singen verleitet. So ähnlich, wie es ein jeder tut, wenn er sich ausgelassen fühlt und unbeobachtet wähnt. Diese Form von Intimität kann dieses Album tatsächlich herstellen.
Das Album «...und Nachteil» von Skor erscheint am 7. Juni auf Bakara Music.