Ein verschworenes französisch-deutsch-norwegisch-schweizerisches Gespann sorgt mit frischem Innovationsgeist, Fantasie und Tiefgang für Unruhe im Raum. Gemütliches Zurücklehnen ist da weder auf der Bühne noch beim Publikum angesagt - dafür geniessen die sechs Musiker den Wandel als Konstante zu hör- und fühlbar, loten zu gerne das volle Spektrum und einen Schritt mehr der Möglichkeiten ihrer Instrumente aus; sie scheuen sich nie davor, jeglicher Monotonie den Kampf anzusagen. Mit ihren Eigenkompositionen, die der Improvisation schier unermesslichen Spielraum gewähren, mit verinnerlichter Sensibilität und ausgelebter Begeisterung schafft Transit Room eine dichte, spannende und neue Atmosphäre.
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Pierre Borel - alto sax
Daniel Glatzel - tenor sax & bassclarinet
Samuel Halscheidt - guitar
Karl Ivar Refseth - vibes
Andreas Waelti - bass & toys
Tobias Backhaus - drums & toys
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«Vom Bauchnabel nach Berlin»
Seit dem Mauerfall hat sich die deutsche Metropole zu einem Hotspot der europäischen Jazzszene entwickelt: Hier geht es munter drunter und drüber und stilistische Grenzen werden weniger genau gezogen als anderswo, man spielt nicht nur nebeneinander, sondern auch durcheinander. Willkommen im “Melting Pot Berlin”. Berlin ist eine Art kreativer Durchlauferhitzer - und zwar für verschiedene Generationen. Die Ex-Avantgardisten Alexander von Schlippenbach und Ulrich Gumpert zeigen, dass auch in post-avantgardistischen Zeiten musikalische Brisanz steckt. Bands wie Der Rote Bereich oder Die Enttäuschung mixen Anarchie und Komplexität. Und dann gibt es noch sehr viele junge, unentdeckte Musiker, die in diesem Klima aufblühen und aufregende Ideen entwickeln. Da lohnt es sich manchmal wirklich, genau hinzuhören.
«Im Labyrinth»
Um eine enorm spannende junge Berliner Band handelt es sich beim Sextett Transit Room, das vom Schweizer Bassisten Andreas Waelti ins Leben gerufen wurde. Die Band ist international besetzt (mit Musikern aus Deutschland, Frankreich, Norwegen und eben der Schweiz) und verfügt über mehrere komponierende Köpfe. Bei Transit Room spielt der Team-Geist eine nicht zu unterschätzende Rolle, so muss man als Zuhörer nicht endlose Solo-Exkurse erdulden (hier sind Musiker am Werk, die gecheckt haben, dass die Zeit der heroischen 20-Minuten-Soli abgelaufen ist), sondern darf sich an der Potenzierung der Einzelpotenzen durch eine Vielfalt konzeptioneller Vorgaben delektieren.
Die Jazztradition wird hier nicht wie ein Fetisch behandelt, sondern bildet sozusagen das Fundament für einen labyrinthisch verschlungenen Transit Room, der von der Klarheit des Klassizismus zum wilden Dekonstruktivismus der Postmoderne führt. Transit Room schlagen auf originelle und überraschende Weise einen Bogen vom erotischen Schmus der Strayhorn-Balladen (inkl. sexy Sax-Vibratoren) zur Action-Abstraktion von Eric Dolphys «Out to Lunch» (inkl. flirrenden Vibrafon-Texturen), achten dabei aber stets darauf, dass die Musik nicht wie ein Echo aus fernen Zeiten, sondern wie ein aktueller, dringlicher Schrei (HURRA!!! oder TEKELI-LI!!!) klingt. Musikalische Versatzstücke werden nicht einfach clever collagiert, sondern derart zueinander in Beziehung gesetzt, dass sie sich gegenseitig befruchten und eine Art Meta-Musik im Vibrationszwischenraum erzeugen. (Text: Tom Gsteiger)
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Lediglich einen einzigen Roman schrieb Edgar Allen Poe, und so rätselhaft wie dieser Roman und seine zentrale Figur "Gordon Pym" wird diese Musik manchen erscheinen - allerdings nur denjenigen Menschen, die akustische Scheuklappen tragen. Der Gründer von Transit Room, der Schweizer Bassist Andreas Waelti, ist auch Bassist der Formation, die seit einem guten Jahr für Aufregung im besten Sinne sorgt: dem "Andromeda Mega Express Orchestra" - sein dortiger "Chef", Daniel Glatzel, stellt sich hier in den Dienst des Sextetts. Sein abwechslungsreiches, expressives Spiel kommt in der kleineren Formation besonders zur Geltung, sein Partner am Alto Saxophon, der Franzose Pierre Borel, steht dem in nichts nach. Wichtige klangliche Zutaten liefern vor allem der Norweger Karl Ivar Refseth - ebenfalls Mitglied bei "Andromeda"- mit schwebendem Vibraphonklängen sowie der Berliner Gitarrist Samuel Halscheidt, der genauestens weiß, wie man mit Sounds Atmosphären kreiert. Tobias Backhaus ist Kennern der Serie "Next Generation" als Drummer bei Andi Kissenbeck´s Club Boogaloo ein Begriff, beweist hier seine enorme Vielfalt beim Schaffen rhythmischer Kunstwerke.
Allen gemeinsam ist, dass sie im "Transit Room" klangliche Extrawelten erschaffen können, die unsere Hör-gewohnheiten zunächst verunsichern, wir aber danach nicht mehr zu den alten zurückkehren können (und wollen). Oder wie Tom Gsteiger (Im Schweizer "Bund") schreibt: "Was Transit Room zu einer Band macht, an deren lebendiger Musik man sich kaum satt hören kann, sind nicht in erster Linie solistische Höhenflüge, sondern die Steigerung der Einzelpotenzen durch eine Vielfalt kompositorischer bzw. konzeptioneller Vorgaben."
Berlin ist mittlerweile als Schmelztiegel europäischer Spitzen(jazz)musiker zu einer Art "Durchlauferhitzer" für die gesamte Szene geworden, und die Innovations-kraft kocht auf hoher Flamme. Transit Room präsentieren sich als Schaumkrone des Gebräus.