Adieu merci. Einfach mal wegfahren, dem Alltag entfliehen. Davon singen Tuwan in ihrem neuen Song «TGV»: «I choufe mir es Billette, bruche chli Zit, stige ine TGV, adieu merci. I choufe mir es Billette bis uf Paris. Stige ine TGV adieu mes Amis.» Einfach so in den TGV steigen und nach Paris fahren? Zurzeit ein Ding der Unmöglichkeit. Doch kleine Fluchten sind auch während einer Pandemie möglich. Gedankliche zum Beispiel. Die zweite EP «Ma Vie À Moi» des Berner Duos Tuwan – produziert von Tom Oehler in Zürich – ist dafür die perfekte Reisebegleiterin. Vier intime, strahlende, zwischen Pop und R’n’B mäandernde, klischeefreie Mundartsongs finden sich auf «Ma Vie À Moi», darunter auch die erfolgreiche, im Sommer 2020 veröffentlichte Single «Mehrzahl vo Heimat». Und neben dem «TGV» wird auch die «Outobahn» gewürdigt: Der Song ist eine hinreissende Liebeserklärung; nein, nicht an die Autobahn. Die ist nur Mittel zum Zweck, um dort anzukommen, wo das Herz am lautesten schlägt.
Tuwan, das sind die Berner Musiker Michel Piangu und Collins Onoha Uzondu. Der Bandname Tuwan ist eine Symbiose aus «Two» und «One» und bringt auf den Punkt, was dieses Duo ausmacht: Zwei Musiker, die eine ähnliche Geschichte und eine tiefe Freundschaft verbindet, seit sie sich 2014 in der Schule kennenlernten. «Wenn wir Musik machen, werden wir eins», sagen Michel und Collins. Seit 2016 schreiben sie gemeinsam Songs.
Ende 2019 veröffentlichten die charmanten Musiker ihre erste EP «Multiplayer» – und die Schweizer Musikwelt horchte auf. Denn da ist eine neue Frische, da ist Urbanität, da sind berndeutsche Texte, die mit der Klangwelt des R’n’B verschmelzen, als wären sie nie getrennt gewesen.
Die Musik von Tuwan zeichnet aus, dass sie gleichzeitig zum Tanzen und Nachdenken anregt. Die Beats warm und reduziert, die Texte direkt aus dem Herzen. Es geht um Sinnsuche und Sehnsüchte, um Werden und Wachsen. Im Song «Biud Vo mir» lassen die beiden Berner die Masken fallen und suchen, was hinter ihrem Spiegelbild steckt. Was bleibt, wenn der Druck von aussen wegfällt, Erwartungen einfach ignoriert werden? «I male mir es Biud, es Biud vo mir. 20 Millione Farbe doch die richtig fingi nid», heisst es im Refrain, der noch lange nachklingt wie das Echo eines berauschenden Sommers.
Also: Schliess die Augen und hör zu. «Ma Vie À Moi» erledigt den Rest.