Nach seinem Debut «Zwüschewälte» (2017) ist Erich Strebel zurück mit seinem zweiten Mundart-Soloalbum. Auf «Rägeboge-Waag» reduziert der Arrangeur seine Lieder noch mehr – und legt gleichzeitig weiter an Raffinesse und Tiefgang zu. Erichs Lieder sind ein Soundtrack fürs Kopfkino. Sie lassen Bilder aufscheinen wie aus einem «vintage» Schwarzweiss-Streifen und sie spielen auf Augenhöhe mit den Klassikern des Zürcher Mundart-Chansons aus der «Niederdorf Oper». Wenn der Pianist und Sänger sein Flair für gepflegten Pop auslebt, hört man von weitem auch die Beatles (Phase «She’s Leaving Home»).
Jedes der acht Lieder auf «Rägeboge-Waag» ist ein Kleinod, das es zu entdecken gilt. Erich taucht ein in die Befindlichkeiten des noch jungen 21. Jahrhunderts, problematisiert, relativiert, spintisiert. Er erzählt kleine Geschichten aus unseren nur vermeintlich einfachen Leben und verliert doch das grosse Ganze nicht aus den Augen. Erich ist ein präziser Beobachter, seine Sprache ist musikalisch, sie spielt mit den Worten und ihrer Melodie. Nie wird er laut und doch spürt man, dass es hier um mehr geht als in vielen anderen Liedern.
Hatte Erich Strebel für sein Debut ein Jazztrio engagiert, das keinen Jazz spielte, so geben diesmal klassische Streicher den Ton an und schaffen eine ganz eigene Atmosphäre. Dass das Handwerk hier auf höchstem Niveau ist, braucht nicht weiter betont zu werden: Erich ist Musikprofi durch und durch und weiss, wie und mit wem man ein Lied inszeniert. Vor allem aber wollte er mit «Rägeboge-Waag» neue Wege gehen, etwas Unverwechselbares schaffen, was es so noch nicht gibt in der Schweizer Musikszene. Das ist ihm gelungen. Erich führt uns mit Leichtigkeit durch seine anspruchsvollen Chansons, experimentiert mit Rhythmen und Klangbildern und fokussiert neben dem Streichquartett ganz auf seine Stimme und diejenige seiner Begleiterinnen. Wer sich Zeit nimmt, ihm zuzuhören bei seinen Reflektionen über den besten Kaffee der Welt, die Tücken der Zeit und die grosse Liebe, wird reich belohnt.